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change-4_2016-Linda_Zervakis.jpg Linda Zervakis, Tagesschau-Sprecherin (www.lindazervakis.de):

"Ich werde ja immer als die erste Tagesschau-Sprecherin mit Migrationshintergrund gehandelt. Für mich war das am Anfang völlig neu. Sonst war ich immer Linda. Oder die Griechin. Plötzlich war das so anders. Und wenn man mich fragt, ob ich mich eher als Griechin oder eher als Deutsche fühle, kann ich das gar nicht genau beantworten, denn meine Eltern sind Griechen, aber ich bin in Deutschland großgeworden. Ich rede mich dann immer raus und sage: 'Ich bin Europäerin!' – und mit dieser Antwort fühle ich mich ziemlich gut. Denn egal, wo ich mich in Europa bewege, es ist einfach ein Terrain, in dem ich mich wohl fühle. Das merke ich, wenn ich in Amerika unterwegs bin. Dann spüre ich, dass ich ein Puzzleteil bin, das sich dort nicht einfügt."
Axel Martens
change-4_2016-Sabine_Krink.jpg Sabine Krink, Europabeauftragte für Hagen und die Märkische Region (Info: ec.europa.eu/germany/services/contact-points_de):

"Europaarbeit kann gar nicht früh genug anfangen und müsste noch viel stärker in den Schulen verankert sein. Die Lehrer müssen diese Zeit aber auch bekommen, dafür muss Platz sein im straffen Lehrplan. Vieles ist heute für junge Menschen so selbstverständlich, dass sie sich gar nicht vorstellen können, dass es mal anders war – ob es das Reisen ist oder das Telefonieren. So, wie in den Sechzigerjahren junge Menschen auf die Straße gegangen sind und für Freiheit und Frieden demonstriert haben, so müssten sie heute auf die Straße gehen und dafür sorgen, dass Europa wieder mit einer Sprache spricht."
Axel Martens
change-4_2016-Nino_Haratischiwili.jpg Nino Haratischwili, Autorin aus Hamburg, schrieb mit ihrem Roman "Das achte Leben (Für Brilka)" die vielleicht spannendste Geschichte Europas:

"Die nationalistischen Tendenzen machen mich traurig oder wütend und fassungslos, denn: Was ist die Alternative? Wieder auf das Nationale berufen und Stacheldraht um uns herum ziehen? Das hatten wir doch alles, und genau das wollten wir alle nicht mehr. Ich finde das, was gerade vor allem in Westeuropa passiert, all diese nationalen Fronten, nicht nachvollziehbar. Und was ich besonders gefährlich finde, ist die Tendenz, diese Menschen nicht ernst zu nehmen und ihre nationalen Gedanken als bildungsfern abzutun und sie nicht als Teil der Gesellschaft zu betrachten. Denn sie sind ein Teil davon, und man muss sie so ernst nehmen wie jeden anderen."
Axel Martens
change-4_2016-Ingo_Niermann.jpg Ingo Niermann, Autor aus Basel, nahm als Künstler an der Ausstellung "Imagine Europe" im Brüsseler Kulturzentrum Bozar teil (www.ingoniermann.com und www.bozar.be):

"In einer Zeit, in der die EU in Frage gestellt wird, wollen wir sagen: Nein, wir sind gar nicht skeptisch genug! Man kann dieses Gebilde nur wieder aufbauen und auch verstehen, wenn man es einmal alldem an Verdachtsmomenten aussetzt wie bei jedem anderen großen Staat. Deshalb war meine Idee, eine Vielzahl völlig widersprüchlicher Verschwörungstheorien über Europa zu entwerfen. Denn Verschwörungstheorien über Europa gab es noch gar nicht. Darüber bekommt man eine neue Flexibilität, über die EU nachzudenken."
Axel Martens
change-4_2016-Simon_Flambard.jpg Simon Flambard, Englischlehrer aus Bielefeld, ist Brite und denkt seit dem Brexit darüber nach, deutscher Staatsbürger zu werden:

"Ich bin jedes Jahr mehrmals mit meinem Sohn nach England gefahren. Für uns war das immer selbstverständlich, einfach durchzufahren, durch keine Kontrolle zu müssen. Es war auch einfach, hier in Deutschland zu bleiben, Arbeit zu finden ohne Visum. Jetzt mache ich mir natürlich schon Gedanken. Entweder ich bekomme auch weiter ein Arbeitsvisum, oder ich nehme die deutsche Staatsbürgerschaft an. Es wird nicht so bleiben, wie es ist, ich muss etwas unternehmen. Es ist ja nicht klar, was mit uns passiert. Viele Leute sind enttäuscht. Ich kenne kaum Menschen, die das wollten. Es waren die alten Leute, die den Brexit gewählt haben – aber die jungen, denen die Zukunft gehört, die wollten es gar nicht."
Axel Martens
change-4_2016-Titelbild.jpg Marta (20) und Sofia (22) aus Italien und Emmeline (19) aus England kamen über das Erasmus-Programm zum Studium an der BTK Hochschule für Gestaltung – Design & Kunst Berlin (www.btk-fh.de).

Marta: "Die Tatsache, dass Italien und Deutschland beide Teil der EU sind, erleichtert es, im Ausland zu studieren – man braucht kein Visum, und es gibt keine bürokratischen Hürden."

Sofia: "Vom ersten Tag an habe ich mich hier in Deutschland wie zuhause gefühlt. Inzwischen kenne ich viele Leute in Berlin, und jeden Tag kommen neue hinzu. Manchmal überrascht mich dieses Tempo. Ich finde, jeder sollte diese Erfahrung machen, für ein paar Monate in einem anderen Land zu sein."

Emmeline: "Ich wollte nach Deutschland, um die Sprache meiner Großmutterzu lernen, die Deutsche ist und im Alter von 96 Jahren langsam ihr Englisch vergisst. Dank der EU ist das alles so einfach – leider werde ich das wohl nicht mehr sagen können, wenn der Brexit vollzogen ist."
Axel Martens
change-4_2016-Markus_Kotzur.jpg Prof. Dr. Markus Kotzur hat den Lehrstuhl für Europa- und Völkerrecht an der Universität Hamburg inne und ist Direktor des Instituts für Europäische Integration am Europa-Kolleg Hamburg (www.europa-kolleg-hamburg.de):

"Europäische Integration ist ein politisches Geschäft. Und in der Politik wird gestritten, da werden Grabenkämpfe ausgetragen, da prallen Ideologien aufeinander. Insofern ist der politische Streit, das politische Rumoren, eigentlich auch etwas sehr Konstruktives für eine Demokratie. Das gilt auf nationaler Ebene wie auch auf EU-Ebene. Was viele als einen unseligen Streit empfinden, hat damit zu tun, dass Politik eben einen Einigungsprozess aus sehr konträren Positionen verlangt – und da muss die EU den Bürgern klarer machen, dass sie auch ein politisches Gebilde ist, das auf politische Mitwirkung und auf politisches Engagement angewiesen ist."
Axel Martens
change-4_2016-Anja_Kuehner.jpg Anja Kühner aus Düsseldorf liebt Gäste und ist Vorsitzende des Vereins BeWelcome (www.bewelcome.org):

"Ich finde das Konzept der Gastfreundschafts-Netzwerke spannend, weil man direkt in das Leben anderer Menschen eintaucht. Ich war inzwischen in rund 30 Ländern weltweit, unter anderem in Frankreich, Belgien, Niederlande, Portugal, Bulgarien, Spanien, Polen, Lettland, Estland, Dänemark, Luxemburg und Irland. Das würde vielleicht auch ohne EU irgendwie gehen, aber das Reisen wäre oft anstrengender, schwieriger. Mal spontan einen Wochenendtrip zu machen, könnte man sich abschminken. Die EU ist wichtig – und ein vereintes Europa bedeutet ja nicht, die Besonderheiten zu verlieren, sondern die ganze Vielfalt zu erleben."
Axel Martens